Interview mit Herrn Barthel

Julius: Stellen Sie sich doch einmal kurz vor.

Herr Barthel: Mein Name ist Dirk Barthel, ich wurde 1970 geboren und komme aus Leipzig. Ich bin in Leipzig aufgewachsen, habe in Leipzig studiert, habe das Referendariat in Leipzig gemacht in Physik und Mathematik. Dann bin ich nach Baden-Württemberg gegangen, weil Sachsen leider niemanden brauchte – Da haben sich die Zeiten ja komplett geändert.

Ich hatte aber immer vor, zurückzukommen. Ich habe das lange probiert, und dann hat es endlich geklappt.


Wie war Ihr erster Eindruck von unserer Schule?

Der erste Eindruck war – oooh! So eine große, schöne Schule – und der kleine Mann soll die jetzt leiten? Also durchaus etwas ehrfürchtig…
Aber auch sehr schön: Unten, wenn man reinkommt, sieht das sehr eindrucksvoll aus!

Dann ist mir gleich Frau Kunath begegnet, da war mir klar: Das wird gut, das gelingt! Frau Kunath war sehr freundlich, sie hat mir zugesagt, auch bei Problemen bereitzustehen und mir zu zeigen, was hier so zu beachten ist – das hat sie letztendlich auch getan.


Wie haben Sie sich denn generell so im Erzgebirge eingelebt – oder eher »wieder
eingelebt«?

Wieder eingelebt ist besser, das stimmt. Ich bin zwar grundsätzlich in Leipzig aufgewachsen, war aber sehr viel im Erzgebirge. Ich habe hier durch Verwandte im Erzgebirge ziemlich viel Zeit verbracht, genauer in Marienberg.

Seit 2017 bin ich eigentlich jedes zweite Wochenende hier gewesen, insofern war es keine wirkliche Eingewöhnung mehr. Ganz normal – ich bin quasi nach Hause gekommen.


Bringen Sie sonst noch etwas aus Baden-Württemberg mit?

Ja. Da muss ich ganz klar sagen, ja. Die Gelassenheit, die Ruhe – auch mal zu lächeln über einen Fehler. Ich trinke zwar keinen Wein, aber grundsätzlich zu sagen: »Trink’ erstmal ein Glas Wein, dann hast du dich beruhigt und dann sieht die ganze Welt schon wieder besser aus.« Man kann etwas mit Ruhe angehen und muss nicht gleich in Hektik verfallen, das bringe ich aus Südbaden mit.


Mit dieser ruhigen Einstellung können Sie bestimmt auch Herausforderungen gut lösen. Da
stellt sich uns die Frage, was bisher denn Ihre größte Herausforderung hier war.

Die größte Herausforderung an dieser Schule… Jetzt muss ich sehr vorsichtig sein… ist die Bürokratie. Die Bewältigung der Bürokratie, das war schon eine Herausforderung und das ist es immer noch.


Fühlen Sie sich mittlerweile hier in der Schule als auch in der Region gut aufgenommen?

Also in dieser Region, klar. Das war schon immer das, wo ich mich gut aufgenommen fühlte. In der Schule aber auch. Das hier ist wirklich eine Schule, die hervorragend funktioniert und hervorragend lebt. Das machen vor allem die Leute aus, mit denen ich hier zu tun habe.


Gerade die, mit denen man ganz eng zusammenarbeiten muss – das Sekretariat, der stellvertretende Schulleiter, der Oberstufenberater, die Fachleiter – das funktioniert so gut, und die haben auch die »badische Gelassenheit«, die ich habe.
Auch mal über einen Fehler zu lächeln, mir zu helfen, das ist wirklich hervorragend, das passt!

Herr Naumann ist ein Planer, der so schnell plant, dass ich kaum so schnell gucken kann, wie er plant!
Das passt wirklich hervorragend, ich fühle mich da sehr gut unterstützt, ich werde sehr gut eingearbeitet und kann wirklich nicht klagen.


Na ja, und von den Schülerinnen und Schülern, da bekommt man ja nicht allzu viel mit. Kaum sind sie mal wieder ein paar Wochen da – oder ein paar Tage – müssen sie wieder nach Hause, und in den Online-Unterricht habe ich nun nicht allzu viel Einblick – Klar, ich hänge mich ja nicht in die einzelnen Klassen ein.


Okay, zum Online-Unterricht kommt dann später nochmal eine Frage der Schüler:innen. Bleiben wir vorerst etwas philosophischer und fragen uns, welche Visionen Sie denn für unser Gymnasium haben.
Was wollen Sie verändern, verbessern, …?

Jaja, das sind die üblichen Fragen: Was wollen Sie verändern, was wollen Sie verbessern?
Aber wenn ich die Frage beantworten würde, dann würde ich ja schon sagen, was alles nicht gut läuft und das maße ich mir nicht an.
Ich muss erst einmal gucken, was läuft und was nicht läuft.
Dabei habe ich so einige Ideen, was man tun könnte. Und bei einigen anderen Ideen bin ich gleich ausgebremst worden, weil es hieß »Nein, das haben wir schon diskutiert, das haben wir schon gemacht«.


Ich möchte die Schule wirklich erstmal ein Jahr kennenlernen. Dann habe ich so die eine oder andere Idee – jetzt schon. Aber da bin ich wie gesagt sehr vorsichtig. Vielleicht hat sich das schon bald wieder erledigt, wenn man merkt, dass da schon etwas in Arbeit ist.
Was mir sehr viel wert ist, ist eine Kommunikation. Wie kommuniziert man, wer kommuniziert mit wem – Da könnten wir schon noch ein bisschen was tun, vor allen Dingen auch »wie«.


Können Sie die angesprochenen »einigen Ideen« noch ein bisschen genauer definieren oder ist das momentan eher unangebracht?

Das ganz klassische: die Digitalisierung. Da ist einiges geplant, was die Tafeln anbelangt und hier schwebt mir vor allem vor, dass man die Leute mitnimmt.
Das war ja bei LernSax nicht wirklich so. Es ging ja damals nicht anders, da musste ganz schnell LernSax eingeführt werden wegen der häuslichen Lernzeit… Sowas darf nicht wieder passieren.
Damals war es eben nicht anders möglich, aber grundsätzlich möchte ich, dass die Leute mitgenommen werden, sprich, dass man sie entsprechend schult.


Nicht jeder kann mit diesen digitalen Tafeln perfekt umgehen. Manch einer will es vielleicht auch gar nicht, weil er ein bisschen Angst davor hat. Das ist aber bei den Schülern nicht anders.
Neue Dinge, andere Dinge, da muss man die Leute heranführen. So möchte ich das mit dem Kollegium machen:
zeigen, was man machen kann mit den Tafeln, dass man das Potenzial ausnutzt, aber nicht einfach
hinstellen und dann sagen »So, jetzt läuft’s« – so wie das mit LernSax ja leider nicht anders ging.


Gut, dann können wir ja vielleicht schon an der Stelle den »digitalen Teil« vorziehen. Wie stellen Sie sich denn digitalen Unterricht vor?

Naja, ich habe das letzte halbe Jahr nichts anderes in Baden-Württemberg gemacht, außer dieses Thema zu planen. Ich war ja vom Unterricht bereits ausgeplant, weil mein Umzug nach Sachsen schon vor einem halben Jahr erfolgen sollte und dann aus technisch-bürokratischen Gründen erst später kam.
Wie ich diesen Unterricht dort gemacht habe, so würde ich mir ihn vorstellen. Aber es gibt gewisse Grenzen. Diese Grenzen sind hier eben in Deutschland und ganz konkret in Sachsen der Datenschutz, der jetzt wieder etwas mehr in den Mittelpunkt gerät, der am Anfang der Pandemie plötzlich außer Kraft gesetzt wurde.


Man kann zum Datenschutz sagen, was man will. Ich habe meine eigene Meinung. Wir schützen uns manchmal an Stellen, wo der Schutz meiner Meinung nach gar nicht so wichtig ist und an anderen Stellen lassen wir viel zu viel Luft ran. Deshalb ist vieles von dem, was ich mir da erträume, leider nicht machbar.
Grundsätzlich: Digitaler Unterricht muss eine gute Mischung sein zwischen selbstständigem Lernen – also dass der Schüler Aufgabenblätter bekommt -, Hilfen – die können mit kleinen Erklärvideos gegeben werden -, viele Kollegen bieten hier auch so eine Online-Sprechstunde an. Das ist also etwas, wo man die Aufgaben gibt und dann sagt: »So, wenn ihr eine Frage habt: Ich bin die ganze Zeit online.« Und dann können sich die Schüler zuschalten, oder auch nicht.


Das muss also eine gute Mischung sein, das muss gut koordiniert werden, damit also nicht etwa ein Fünftklässler den ganzen Tag vor dem Laptop sitzt! Sechs Stunden Videokonferenz hält eben auch ein Erwachsener nicht aus.
Wie gesagt, es muss also insgesamt eine gut koordinierte Mischung sein – da fehlen aber leider ein bisschen die Instrumente, um das zu koordinieren. Man braucht gute Verknüpfungen. Es müssen ja alle Fächer irgendwie voneinander erfahren, wer wann was will.


Das ist gar nicht so einfach mit den Gegebenheiten hier. Mit LernSax lässt sich das alles nur zum Teil abbilden. Wir haben das ja jetzt implementiert, wir haben damit nun also einen besseren Überblick, damit die Klassenleiter sich einen besseren Überblick verschaffen können – und das tun sie auch.
Da müssen wir also aus dem, was wir haben – auch mit den Internetverbindungen, die nun nicht unbedingt überall bestens sind – das Beste machen und da sind wir auf einem guten Weg.
Wenn die Pandemie zu Ende ist, dann haben wir unser Konzept so weit, dass es sehr gut ist! *lacht*


Das klingt doch vielversprechend! In dieser Richtung gibt es auch noch eine Frage, die von Schüler:innen gestellt wurde, die ich selbst aber nicht so richtig einordnen kann, weil ich nicht weiß, inwiefern Sie dafür überhaupt der richtige Ansprechpartner sind. Und zwar wird ja ganz oft bemängelt, dass bloßes Ausdrucken irgendwelcher Dokumente und stumpfes Abarbeiten von Lehrbuchseiten kein richtiger Online-Unterricht sind. Sie haben dabei ja auch angesprochen, dass man zusätzlich auf Video-Sprechstunden setzen sollte, um eben die Motivation der Schüler:innen aufrechtzuerhalten. Da stellten die fragestellenden Schüler:innen eben fest, dass Videokonferenzen an vielen Schulen schon eine Art »verpflichtender Standard« seien – ein bisschen hart ausgedrückt – und dass dann auch in Klassenzimmern Kameras zur Verfügung stünden, mit denen man im Wechselunterricht quasi zur Heimlerngruppe streamen könne. Sehen Sie da Möglichkeiten, so etwas an unserer Schule zu etablieren oder irgendwie Druck auf Verantwortliche auszuüben – ebenfalls hart ausgedrückt – um etwas in Bewegung zu setzen?

Na gut, so hart ausgedrückt, dann bin ich auch so hart und sage knallhart: Nein, sehe ich nicht.
Das hat auch gute Gründe, warum ich das nicht sehe. Zum einen – Wie soll in so kurzer Zeit die Infrastruktur aufgebaut werden? Wenn hier alle Lehrer gleichzeitig mit BigBlueButton online gehen, dann bricht das Netz zusammen. BigBlueButton ist ein System, was einen sehr hohen Ressourcenverbrauch hat. Die Bandbreite, die wir dafür brauchen, ist enorm – im Vergleich zu Zoom etwa Faktor 10. Das hält so eine Leitung nicht aus.


Das Nächste ist: Wenn wir einfach eine Kamera hinten hinstellen und das sechs Stunden am Tag nach Hause streamen, dann ist das nichts weiter als wenn das Kind sechs Stunden lang vorm Fernseher sitzt. Es wird also nur konsumiert. Das bringt wirklich nichts.
Es müsste interaktiv sein: Die, die zu Hause sitzen, müssten auch mit am Unterricht teilnehmen. Dann wäre es eine Hilfe. Das Ganze ist aber nicht sehr einfach – Wie soll man das im Unterricht machen? Prinzipiell geht es, wir schaffen es zwar von der Technik her sowieso nicht, aber das ist auch nicht unbedingt für jeden Kollegen die geeignetste Methode.
Ich kenne auch Kollegen, die digital nicht so bewandert sind und trotzdem ausgezeichneten Unterricht machen – das darf man nicht vergessen! Wir dürfen nicht alles auf eine Methode setzen.


Das Nächste ist: Wir bräuchten dafür eine Einwilligung von allen Beteiligten. Natürlich sind das nicht nur die Schüler, sondern auch die Eltern. Was machen wir, wenn in einer Klasse – und das haben wir in jeder Klasse – einer dabei ist, der seine Genehmigung nicht gibt, dass er also nicht »in die ganze Welt gestreamt wird«. Das hieße, denjenigen müssten wir vor die Tür setzen. Was machen wir mit ihm? Es ist also nur sehr eingeschränkt umsetzbar.


Wenn es heißt, dass andere Schulen digitalen Unterricht bereits so durchführen – Wir haben es probiert. Es haben sich einige Formate herauskristallisiert, die gut waren. Es hat auch in einigen Klassen funktioniert, dass man die entsprechende Einwilligung bekommt. Aber für die ganze Schule ist das nicht umsetzbar. Wir haben dann einfach Schüler von der einen Klasse in die andere Klasse gesetzt, weil sie nicht daran teilnehmen durften. Aber was macht man, wenn die ganze Schule das hat? Wo schicken wir die Schüler hin? Machen wir eine separate Klasse für die Online Verweigerer?
Das geht ja auch nicht. Insofern: Eine gute Mischung muss es sein.
Eines müssen wir uns auch ganz klar bewusst machen: Wie auch immer ein Online-Unterricht geartet ist – natürlich nicht nur mit Arbeitsblättern und »Lehrbuch Seite 17, Nummer 3 bis 7 und morgen Nummer 8 bis 12« – er wird den Präsenzunterricht niemals ersetzen können. Das ist einfach so.


Ja, wie sie schon ansprachen, spielt hier natürlich auch die Bürokratie stark mit hinein. Nicht zuletzt auch, dass der Lehrerberuf sowieso schon länger »digitalisiert wird« und – wie Frau Kunath schon sagte – »neu gedacht werden muss«. Das passiert durch Corona jetzt unweigerlich viel schneller.

Naja, neu gedacht … Ja, auf jeden Fall neu gedacht. Ich habe einmal drei Tage lang an einer Gemeinschaftsschule in Baden-Württemberg hospitiert. Gemeinschaftsschulen sind momentan dort ja gerade sehr im Entstehen und im Wachsen. Ich muss sagen, dort wurde der Lehrerberuf komplett neu gedacht. Ich habe mich mit dem Gedanken angefreundet und habe mir durchaus gedacht, dass man davon etwas mitnehmen könnte: der Lehrer nur noch als Lernbegleiter. Was heißt »nur noch«?
Das Kind lernt selbst und der Lehrer beantwortet nur noch Fragen, um das Ganze mal etwas vereinfacht auszudrücken.


Ich muss sagen, das hat mir nicht gefallen. Am Ende lief es dann doch immer wieder darauf hinaus, dass es sehr sinnvoll ist, wenn ein Lehrer etwas erklären kann, etwas vortragen kann und auch mal wieder der »klassische Lehrer« sein darf. Natürlich nicht mit dem Rohrstock wie früher, das ist klar.
Aber »komplett neu«…? Hm, »neu denken« ja, aber eine komplette Rollenveränderung halte ich nicht für sinnvoll. Der Lehrer ist wirklich jemand, der Wissen vermitteln sollte und keine Schülerbegleitung sein sollte, also eben eine unterrichtende Person.


Lieber eine Unterhaltungsserie oder eine gute Politshow?

Was ist eine Politshow?

Ich würde sagen, eine politische Talkshow, »Anne Will« oder so etwas.

Was will Anne? *schmunzelt*
Ich gucke recht wenig fern und wenn, dann so eine Diskussionssendung. Ja, so eine Politshow. Was war das andere? Eine Serie?
Na, das dann garantiert nicht. Dann lieber einen guten Krimi.

Die nächste Frage haben wir eigentlich schon ein wenig angeschnitten und sie kommt zugegebenermaßen ein wenig unverhofft, da wir ja vorhin in den »Digitalisierungs-Bereich« vorgesprungen sind. Wo sehen Sie denn konkret die Unterschiede zu der Schule, an der Sie vorher in Baden-Württemberg unterrichtet haben?

Die Unterschiede sind schon beim Hineingehen zu sehen. Die Schule hier ist viel schöner. Das Gebäude ist viel schöner.
Hm, jetzt hoffe ich, dass das Interview »dort unten« nicht irgendwie gesehen wird, denn ich hatte
dort sehr gute und freundliche Kollegen und Kolleginnen.

Hier habe ich aber das Gefühl, dass der Zusammenhalt im Kollegium doch noch ein ganzes Stück stärker ist als dort. Das finde ich sehr schön.
Auch die wenigen Schülerinnen und Schüler, die ich hier bisher kennenlernen durfte, haben mich durch ihr Auftreten überzeugt: freundlich, höflich, wenn es sein muss auch zurückhaltend. Das gefällt mir hier deutlich besser.
Auch in den Naturwissenschaften – die anderen Fächer habe ich bisher noch nicht so kennengelernt – wie da unterrichtet wird, wie engagiert da vorgegangen wird: Das gefällt mir ebenfalls sehr gut.

Kommen wir nochmal auf das Schulgebäude zu sprechen mit einer Frage der Schüler:innen.
Haben Sie einen Lieblingsort an unserer Schule und wenn ja, welchen?

Es ist nicht dieser Raum hier [Anm. d. Red.: das Direktorenzimmer], auch wenn ich mich da leider am meisten aufhalten muss. Es ist das Atrium, mittags die Mensa.

Kommen wir nun ein bisschen in das Themengebiet »Schulfächer«. Was reizt Sie denn an Ihrer ausgewählten Fächerkombination Physik und Mathematik?

In den letzten Jahren bin ich immer mehr von Physik und Mathematik weggekommen. Das muss man hier an dieser Position auch. Die Gefahr ist nämlich, dass man seine eigenen Fächer
überschätzt – die ist bei mir nun nicht mehr gegeben. Ich sehe immer mehr das »große Ganze«.
Insofern beantworte ich die Frage, was mich daran reizt, heute ganz anders, als ich sie früher beantwortet hätte.
Früher hätte ich in etwa gesagt, das ist »überhaupt das Wichtigste und Schönste«.
Jetzt sage ich, was mich an der Mathematik und an der Physik interessiert, ist die Logik, die dahintersteckt.
Alles ist so schön erklärbar. Ich sage immer: Das ist etwas für nicht ganz so Fleißige. Da muss man bis auf einige Wenige keine Vokabeln lernen, im Wesentlichen muss man es nur verstanden haben und üben in der Mathematik. In der Physik sehe ich das genauso – mir ging es jedenfalls so.

Aber wie gesagt, jetzt in der Schule finde ich manches Fach viel interessanter als die Mathematik und die Physik. Eben weil es etwas ist, wo man erst kürzlich reingeschnuppert hat.
Weil ich es teilweise auch als wirklich sehr wichtig ansehe, nehmen wir doch das Fach GRW. Das wird oftmals so ein bisschen belächelt, es wird gesagt »Hach, das ist doch keine Wissenschaft« oder so.
Aber wenn man sich damit beschäftigt, dann merkt man, wie wichtig es ist. Gerade wenn man die Gesellschaft anschaut – Was läuft eigentlich? Da sehe ich das Fach GRW eben – und auch Geschichte – als sehr wichtig an.

Ich möchte noch einmal etwas zum Fach Kunst sagen. Und zu den Sprachen. Sprachen, da brauchen wir nicht drüber zu reden – ohne Fremdsprachen kann man heutzutage eigentlich nichts mehr machen. Selbst Literatur im Studium in Deutschland muss man ja in der Regel in Englisch lesen.


Kunst – Kunst und Musik. Für mich als Schüler waren diese Fächer so unbedeutend. Dann lernt man erst im Laufe des Lebens, wie wichtig das eigentlich ist. Da geht man dann eben mal in die Oper und stellt das fest. Als Schüler hat es einen nicht interessiert, aber jetzt ist das ganz interessant, jetzt gehe ich sehr gern in Opern! Insofern entwickelt sich da also oft noch etwas, und das hat sich bei mir entwickelt.

Insofern: Meine Fächer sind schön – sie waren schön, sie bleiben schön. Aber sie sind eigentlich nicht mehr von so großer Bedeutung für mich persönlich, für meine Position erst recht nicht.


Jetzt haben Sie ja gerade das Fach GRW angesprochen. Vor einigen Jahren wurde dieses Fach bereits für Schüler:innen ab der Klasse 7 eingeführt. Bezüglich der generellen Einführung neuer Fächer: Gibt es denn ein Fach, was Sie einführen würden? Ein Fach, wo sie denken, dass es den Schüler:innen unbedingt mit auf den Weg gegeben werden muss?

Ja, ein Fach, welches unbedingt eingeführt werden sollte, das ist eigentlich schon da, es müsste aber mehr Wert darauf gelegt werden: Logik und Wirtschaft.
Es gibt immer wieder Diskussionen wie »Wir wollen uns das leisten als Gesellschaft, dies leisten und jenes leisten«. Dann kosten das sieben Milliarden, drei Milliarden und es werden ja Milliarden gerade wieder herausgeworfen… Man sollte nie vergessen, dass irgendwer ja dieses Geld zur Verfügung stellen muss. Geld zur Verfügung stellen heißt: Das muss irgendwo herkommen. Dieses System muss man verstanden haben. Ich habe jedoch das Gefühl, dass nicht alle dieses System verstanden haben.


Ob die Schuld bei der Schule zu suchen ist oder wo auch sonst, das weiß ich nicht. Aber ich glaube, in die Richtung Wirtschaft und Gesellschaft müsste doch noch einiges investiert werden. Das hat aber auch wieder etwas mit Mathematik zu tun, denn man muss rechnen können. *schmunzelt*


Sehen Sie in dieser Richtung auch Bedarf an Fächern, die da oft genannt werden wie »Hauswirtschaft an Gymnasien, »Sport-Fördern«, »Digitalisierung und Medienkompetenz« und dergleichen?

Naja, also Kompetenzen ohne Inhalte zu vermitteln, das funktioniert nicht. Insofern: Wenn ich jetzt Medienkompetenz vermitteln will, dann sehe ich da einfach »Medien« losgelöst ohne Inhalte. Das sehe ich etwas kritisch.
Viel sinnvoller wäre es – und auch viel anstrengender, wie es in Sachsen bereits angedacht ist -, dass man die Medien an bestimmte Inhalte knüpft. Man sagt ja nicht »Heute lernen wir mal den Umgang mit Mikrofonen und Kameras«, sondern es wird immer an ein ganz konkretes Thema gebunden. »Heute wollen wir ein Interview durchführen«, und dann müssen wir uns eben damit beschäftigen. Ich würde das also nicht als reinen Selbstzweck betreiben.

Außerdem finde ich, dass es schon ziemlich viele Schulfächer gibt. Ich wüsste gar nicht, wo da noch Platz sein soll. Da müsste man überlegen, was man rausstreicht – Ich würde kein neues Fach einführen, sondern es in den bestehenden Fächerkanon mit einbringen. Das wäre meine Vorstellung. Aber da gibt es wieder Bildungspolitiker und Bildungswissenschaftler, die sehen das vielleicht anders.

Was mich so ein bisschen stört ist, dass sich da etwa alle zehn Jahre etwas ändert.
Einmal heißt es »Wir brauchen dies«, nach zehn Jahren heißt es dann »Wir brauchen das doch nicht mehr, wir brauchen etwas ganz Anderes«. So war es zumindest in Baden-Württemberg. Hier – so glaube ich – ist es etwas beständiger.


Nutella mit oder ohne Butter?

Mit Butter!


Sie haben ja bereits angedeutet, dass Sie Kunst und Musik als Schüler eher nicht so wertgeschätzt haben. Gibt es sonst noch andere Dinge, die Sie als Schüler so gar nicht mochten? Hat das Auswirkungen auf die Art, in der Sie heute unterrichten, also dass Sie einige Sachen irgendwie anders betrachten?

Also ich habe über alles später noch einmal nachgedacht, und das halte ich auch für sehr wichtig. Das habe ich auch vor, den Schülern im Rahmen des Vorwortes für die Abizeitung mit auf den Weg zu geben: Schaut euch jetzt an, wie ihr jetzt urteilt und schaut euch dann in zehn Jahren nochmal an, wie ihr urteilt. Man verändert den Blickwinkel.

Jetzt ist die Schule stressig, in zehn Jahren sagt man »Hach, war das eine schöne Zeit, es war doch gar nicht so stressig«. Somit hat sich sicherlich bei mir auch Einiges geändert. Der Blick auf Musik und Kunst beispielsweise, das sagte ich ja schon.
Ansonsten sind mir die Dinge, die sich noch geändert haben, gar nicht so bewusst geworden. Man macht im Leben einige Kehren und Wendungen. Vielleicht dreht man sich einmal sogar komplett herum und dann ändert sich das immer mal. Aber konkret weiß ich das jetzt gar nicht – ich könnte es nicht an einzelnen Dingen festmachen.


Wie fühlt es sich denn für Sie an, jetzt quasi noch einmal »die Schulbank drücken zu müssen« wegen des sächsischen Schulrechtes?

Naja, sagen wir mal so: Macht es immer Spaß, die Schulbank zu drücken? Wenn ich die Frage einmal so stellen darf?

Hmm, das kommt wahrscheinlich auf das Thema an.

Genau – es kommt aufs Thema an. Und so ist es hier auch: Es kommt immer auf das Thema drauf an.
Da gibt es interessante Themen – auch im Schulrecht – und da gibt es uninteressante Themen. Die uninteressanten Themen – da sind wir Erwachsenen nicht anders als die Schüler – die schiebt man so weit heraus, bis man sagt: »So, jetzt musst du da mal ran!« und dann zieht man es durch. Das gehört eben dazu.


Aber es gibt eben auch viele interessante Themen, man stellt auch viele Gemeinsamkeiten fest. Es sind so Kleinigkeiten, die dann entscheidend sind – das kann auch interessant sein.
Insgesamt ist es aber nicht mein Hobby, das sächsische Schulrecht zu studieren. Insofern fühle ich mich dabei wohl wie Schüler, die in ihrem Unterricht sitzen und »Joar, das geht ganz gut, aber ich würde jetzt lieber etwas anderes machen« sagen – zum Beispiel zu unterrichten oder mich mit den Kollegen zu unterhalten, das wäre dann schon schöner. Es gehört aber nun mal dazu, naja, da muss man durch.


Hängt die neue Seifensorte in den Toiletten, die nach Lavendel duftet, mit Ihnen zusammen?

Seit wann gibt es denn die neue Seifensorte?

Mir persönlich ist es zwar nicht so aufgefallen …

Mir auch nicht.

… aber irgendwer hat gesagt, dass seit etwa drei Wochen oder so ähnlich eine neue Seife verwendet wird.

Achso, das hat mit mir nichts zu tun, darum habe ich mich noch nicht gekümmert. Ich hätte auch nicht Lavendel genommen, sondern lieber Rosenduft. Aber ich glaube, das ist jetzt nicht die entscheidende Frage. *grinst*


Wenn wir schon bei so entscheidenden Fragen sind, kommt hier gleich die Nächste: Pizza mit oder ohne Ananas?

Mit Ananas. Ich weiß, Pizza Hawaii, »um Gottes Willen«, sagt der Italiener. Aber ich mag sie.


Nun sind wir eigentlich schon bei unserer letzten Frage angelangt, die vorhin auch schon etwas angeschnitten wurde bezüglich einer Änderung des Blickwinkels auf die Schulzeit nach der Schulzeit. Was würden Sie denn den Schüler:innen mit auf den Weg geben?

Wenn sie ihr Abitur haben?

Ja, zum Beispiel.

Findet ein gutes Verhältnis zwischen Arbeiten und Freizeit beziehungsweise Erleben.
Lernt die Welt kennen. Ich weiß, fliegen ist gerade aus ökologischen Gründen nicht besonders beliebt, trotzdem: Lernt die Welt kennen! Nutzt die Freiheit, die ihr habt. Ihr kommt deutlich toleranter zurück, wenn ihr mal andere Länder erlebt habt, wenn ihr mal andere Kulturen kennengelernt habt.

Schaut nicht nur darauf, wo ihr das Meiste verdient, sondern schaut darauf, wo ihr am glücklichsten seid mit diesem Job, mit dem ihr wirklich am besten zurechtkommt und hört auf euch. Was euch gefällt, das ist gut – solange es niemand anderem weh tut. Macht etwas aus eurem Leben in dem Sinne, das ihr glücklich werdet damit und nicht nur das größte Auto und das größte Haus habt. Glücklich und zufrieden zu sein ist auch etwas, wo man dann diese Gelassenheit ausstrahlen kann.


Diese Gelassenheit – und da kommen wir darauf zurück, was ihr am Anfang gefragt habt – die ist sehr, sehr viel Wert.


Das klingt doch nach sehr guten Aussichten! Wir bedanken uns bei Herrn Barthel für das Einräumen unseres Interviews. Es war sehr schön, unseren neuen Schulleiter auf diese Weise kennenlernen zu dürfen.

Julius

Julius

Julius ist als Gründungsmitglied seit 2017 bei CottaConnect dabei. Mittlerweile hat er sein Abitur bestanden und leitet im Schuljahr 2022/2023 das GTA-Angebot gemeinsam mit Herrn Jahn. Dazu gehören mittlerweile viele Tätigkeiten im Hintergrund wie beispielsweise das Klären organisatorischer Angelegenheiten oder das Lektorieren von Artikeln. :)

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